Von wegen Winterruhe! Das macht ein Winzer im Winter

Die Weinlese ist längst abgeschlossen. Der Most im Keller ist auf dem besten Weg, sich zu einem hoffentlich prächtigen Jungwein zu entwickeln. Im Weingarten ist das letzte Blatt längst zu Boden gefallen und die Tage werden seit der Wintersonnenwende wieder etwas länger. Jetzt wäre für den Winzer eigentlich die Zeit gekommen, um endlich einmal genüsslich die Füße hochzulegen. Doch weit gefehlt – von November bis März steht jede Menge Arbeit an. Der winzerliche Dreischritt lautet Weinkeller, Weinberg, Rebschnitt.

Im Weinkeller gärt es so richtig

Im Weinkeller läuft wie gewünscht der Vorgang ab, der den Most zum Jungwein werden lässt. Der Traubensaft gärt, ruht und reift in Tanks und Fässern – und wie es in der Pubertät so ist, weiß man noch nicht so recht, was am Ende dabei herauskommt. Der junge Wein verlangt deshalb nach häufiger Zuwendung: Der Winzer kontrolliert Temperatur und Hefe, zwischendrin wird immer wieder verkostet, um die Entwicklung zu verfolgen. Was für den Laien jetzt noch herb und unrund schmeckt, lässt den Winzer schon Charakter und Geschmack des fertigen Weins erkennen. Vor dem großen Moment des Abfüllens in die Flasche stehen aber noch der Abzug von der Hefe und das Klären des trüben Weins auf dem winterlichen Terminkalender.

Junge Wilde und alte Bekannte im Weinberg

Auch wenn alte Reben heute wegen der hohen Qualität ihrer Trauben sehr geschätzt werden, irgendwann muss sich der Winzer von seinen jahrzehntelang gepflegten alten Weinstöcken verabschieden. Mit etwas Wehmut werden dann die Drahtrahmen und Pfähle entfernt und die bis zu hundert Jahre alten Reben aus dem Boden gezogen. Sollen an diesem Platz neue Weinstöcke wachsen, muss der Boden nun gründlich und tief gelockert werden, um eine erfolgreiche Neuanpflanzung im Frühjahr zu ermöglichen. Beim „Rigolen“ wird der Boden mit maschineller Unterstützung bis zu 60 Zentimeter tief umgegraben. Auch in bestehenden Weingärten ist das Umgraben oder Grubbern ein wiederkehrendes Winterthema.

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Nachhaltig düngen mit Mehrwert

Ganz klar, die Reben entziehen dem Boden im Laufe des Jahres viele Nährstoffe. Deshalb steht im Winter auch das Düngen an, damit sich die Trauben im nächsten Sommer gesund und üppig entwickeln können. Viele Winzer bringen natürlichen Kompost aus, gerne abgelagerten Pferde- und Hühnermist. Die abgeschnittenen Ruten werden gehäckselt und ebenfalls in den Boden eingebracht. Dieser organische Dünger liefert nicht nur den Weinreben die nötige Nahrung, sondern fördert auch die Bodenlebendigkeit und damit Biodiversität im Weingarten. Darüber hinaus erhöht die aufgebrachte Biomasse die Wasserhaltefähigkeit des Bodens und verhindert so wirksam Erosion – ein Thema, das nicht nur Winzer in Steillagen beschäftigt.

Schnipp schnapp – jetzt kommt der Rebschnitt

Vor dem Schneiden muss der Winzer bedenken: Wie hoch soll der Ertrag im kommenden Jahr ausfallen? Welche Qualität soll der Wein haben, der aus den Trauben entsteht? In welcher Lage befindet sich der Weingarten? Diese und viele Überlegungen mehr fließen in die Planung des Rebschnitts mit ein. Mit dem Schneiden kann der Winzer jederzeit beginnen, nachdem die Blätter abgefallen und die Ruten verholzt sind, also die Saftruhe eingetreten ist. Geschnitten werden die einjährigen Ruten, an denen die Knospen (Augen) für das nächste Jahr bereits angelegt sind, zwischen November und März. Die einjährigen Ruten entspringen übrigens zweijährigen Trieben, die aus mindestens dreijährigem Holz erwachsen sind.

Eine Schnittvariante für alle? Niemals!

Der Winzer beachtet beim Rebschnitt auch, dass es starkwüchsige und eher „schüchterne“ Rebsorten gibt. Manche fruchten am besten am kurz geschnittenen Tragholz, dem sogenannten Zapfen, der mit zwei Augen bestens ausgestattet ist. Eine Bogenrebe hingegen kann auch bis zu zwölf Augen haben. So erklärt sich unter anderem auch das recht unterschiedliche Erscheinungsbild von Weingärten: Wächst an einem (jungen) Stock nur ein Trieb nach oben, sieht man ein paar hundert Meter weiter vielleicht zwei am Draht fixierte Bögen, daneben aufragende und als Bogen gebundene Reben an einem Stock – oder so etwas, das wie ein umgekehrter Besen aussieht und mehrere Ruten parallel präsentiert. Neben der Rebsorte zählen in jedem Fall Lage, Höhe, Boden, Wasserverfügbarkeit und geplanter Ertrag. Interessant: Bis in die 1930er-Jahre gab es in jedem Weinbaugebiet andere Schnittvarianten. Erst seit rund 100 Jahren geht die Tendenz zur Vereinheitlichung des Rebschnitts.

Maschinelle Helferlein beim Rebschnitt

Was die mehrere Monate dauernde Schneidearbeit heute erleichtert, ist der gezielte Einsatz von Technik. Die Ruten werden oft maschinell eingekürzt, danach erfolgt der Rebschnitt aber nach wie vor von Hand. Hilfreich sind dabei Akkuscheren, die das Schneiden der oft sehr stark verholzten Ruten deutlich einfacher und gelenkschonender machen. Die Bedeutung des Rebschnitts für die Weinqualität des nächsten Jahrgangs lässt sich daran ermessen, dass viele Winzer es sich nicht nehmen lassen, diese Arbeit ausschließlich selbst durchzuführen.

Falls die Winterarbeit irgendwann dann doch zu Ende ist, legt auch ein Winzer gerne einmal die Füße hoch, genießt die Früchte seiner Arbeit im Glas und plaudert ein wenig aus der Weinbergschule. Sie wollen jetzt unbedingt mehr erfahren? Bei einer WEINREISE hören Sie interessante Details aus erster Hand und verkosten in persönlicher Atmosphäre die besten Weine!